Die Geschichte Judenburgs
Die frühe Geschichte
Die Stadt Judenburg liegt am westlichen Ende der ausgedehnten Beckenlandschaft Aichfeld-Murboden. Hier, auf einem hoch über der Talsohle aufragenden Geländesporn, entstand Mitte des 11. Jahrhunderts am Kreuzungspunkt wichtiger Handelswege eine Burg und in deren Schutz eine Kaufmannssiedlung, die sich im Mittelalter zu einem bedeutenden Wirtschafts- und Verwaltungszentrum entwickelte.
Frühgeschichtliche Funde aus Stein, Ton und Bronze geben, lange bevor der Name Judenburg in schriftlichen Zeugnissen auftaucht, bruchstückhaft Auskunft über einen alten Siedlungs- und Kulturboden. Ein hallstattzeitliches Herrschaftszentrum befand sich nach jüngsten Forschungen am Falkenberg nordwestlich von Judenburg. Die wirtschaftliche Grundlage dieser bedeutenden Höhensiedlung bildete die Eisengewinnung und -verhüttung. Den Reichtum der Strettweger Fürsten dokumentiert der 1851 von einem Bauern geborgene Strettweger Kultwagen, der mit zahlreichen weiteren Bronzestücken und Keramikfragmenten aus einem ausgedehnten Gräberfeld am Fuße des Falkenberges stammt und zu den bedeutendsten archäologischen Fundstücken der Steiermark zählt.
Die besonderen landschaftlichen Gegebenheiten des Judenburger Raumes mit seinen leicht zu bezwingenden Gebirgsübergängen ließen hier schon sehr früh einen Knotenpunkt der Handels- und Kommunikationswege entstehen. Neben dem von den Römern ausgebauten Haupthandelsweg von der Adria an die Donau führte von Judenburg ein alter Verkehrsweg über die Stubalpe nach Osten in den pannonischen Raum; von der nordöstlichen Adria zog eine römische Fernstraße über Ljubljana durch das Lavanttal und über den Obdacher Sattel zum Murboden. Entlang der Mur verlief flußaufwärts ein Handelsweg durch den Lungau, der sich über den Radstädter Tauern in Richtung Salzburg und über den Katschberg nach Oberkärnten verzweigte und weiter über den Sölkpaß in das Ennstal führte. Am Schnittpunkt dieser Handelswege und Fernstraßen entstand Judenburg.
Blütezeit im Mittelalter
Für die wirtschaftliche Entwicklung Judenburgs im Hoch- und Spätmittelalter war seine Lage am Handelsweg von Venedig über den Semmering nach Wien entscheidend, der bis zum Ende des 12. Jahrhunderts etappenweise ausgebaut wurde. In dieser Zeit nahm der Fernhandel auf der so genannten Italien- oder Venedigerstraße einen raschen Aufschwung.
Die erste schriftliche Erwähnung der am Ostrand der Stadtterrasse gelegenen Burganlage stammt aus dem Jahr 1074 (Judinburch). Knapp drei Jahrzehnte später, im Jahr 1103, wird die älteste steirische Kaufmannssiedlung (mercatus Judenpurch) genannt. Sie befand sich am Beginn der heutigen Burggasse. 1148 wird zum ersten Mal die Kirche in Judenburg erwähnt. Geweiht ist sie dem hl. Nikolaus, dem Patron u.a. der Kaufleute und Seefahrer. Die rasch aufstrebende, um 1224 zur Stadt erhobene Kaufmannssiedlung und der Burgbezirk im Bereich des Martiniplatzes wurden im Verlauf des 13. Jahrhunderts von einer Stadtmauer umschlossen.
Privilegien wie z. B. das Stapelrecht, das Monopol des Roheisen- und des Speikhandels sowie die Prägung des Judenburger Guldens, der im 14. Jahrhundert zur wichtigsten Goldmünze der habsburgischen Länder wurde, trugen wesentlich zur wirtschaftlichen Prosperität der Stadt Judenburg bei, die sich im 13. und 14. Jahrhundert zum Hauptort des Fernhandels zwischen Wien und Venedig entwickelte.
Seit dem Ende des 13. Jahrhunderts berichten uns Urkunden von Juden, die in erster Linie als Geldverleiher in Judenburg tätig waren. Der Wohnort der Judenburger Juden, die Judengasse im Gehag, in der sich auch die Synagoge und das Judenbad befanden, lag im Bereich der heutigen Heiligengeistgasse. Der mittelalterliche Judenfriedhof lag außerhalb der Stadt in der Nähe des Schlosses Weyer. 1496 wurden die Juden, die die Entwicklung moderner Wirtschaftsformen entscheidend mitgestalteten, aus Judenburg vertrieben.
Als landesfürstliche Stadt mit besonderen wirtschaftlichen Vorrechten und einer geregelten bürgerlichen Selbstverwaltung wurde Judenburg im Laufe der Jahrhunderte nicht nur Handels-, sondern auch Verwaltungszentrum, dessen Territorium weite Teile der Obersteiermark umfasste.
Seine wirtschaftliche Blütezeit erlebte die Stadt Judenburg im späten Mittelalter. Der um das Jahr 1500 erbaute Stadtturm, monumentaler Ausdruck von Wehrhaftigkeit und bürgerlichem Wohlstand, ist ein eindrucksvolles Zeugnis dieser Zeit. Und noch heute spiegelt sich der einstige Reichtum in den zahlreichen erhaltenen historischen Bauten im Bereich der Altstadt wider – so etwa in den Bürgerhäusern am Hauptplatz, wo auf den Wochen- und Jahrmärkten einst auch deutsche und oberitalienische Kaufleute ihre Waren feilboten.
Die Neuzeit
Die Bedeutung, die Judenburg im 14. und 15. Jahrhundert als Verwaltungs- und Wirtschaftszentrum erlangt und sogar den Ruf „Hauptstadt von Obersteier" eingebracht hatte, ging in den nachfolgenden Jahrhunderten infolge der wirtschaftlichen Konkurrenz durch andere Städte, durch eine großräumige Verlagerung der Handelsrouten, durch äußere Gefahren wie Türkensturm und Franzoseninvasion und Katastrophen wie den zahlreichen verheerenden Stadtbränden (u.a. in den Jahren 1504, 1670, 1709, 1807 und 1840) mehr und mehr verloren. Dazu kam, dass beinahe alle wirtschaftlichen Privilegien Judenburgs zu Beginn des 15. Jahrhunderts anderen Städten übertragen wurden.
Diese Entwicklungen bewirkten schließlich eine grundlegende Umgestaltung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Stadt. So musste sich beispielsweise die Stadt nach dem Verlust des Roheisen-Monopols im Jahr 1406 auf das so genannte geschlagene (geschmiedete) Eisen umstellen. Zahlreiche Schmieden und Hammerwerke entstanden in Judenburg, die nun mit ihren Fabrikaten – etwa Bogen aus Stahl für die Armbrust, Harnischblechen, Klingen, Nägel und Draht – die süddeutschen Märkte belieferten. Das Handelsbuch des Judenburger Kaufmannes Clemens Körbler, ein wichtiges wirtschaftsgeschichtliches Schriftdokument für das 16. Jahrhundert, dokumentiert diese Veränderungen: Konzentrierten sich in früheren Zeiten die Handelsbeziehungen auf den Mittelmeerraum, insbesondere auf die Hafen- und Handelsstadt Venedig, so orientierten sich die Kaufmannsbeziehungen nun verstärkt auf die Bozener Märkte bzw. nach München, Nürnberg, nach dem Rheinland und nach Antwerpen. Judenburg entwickelte sich im 16. Jahrhundert, neben Graz und Weiz, schließlich zu einem Zentrum der steirischen Blankwaffenerzeugung und galt um 1600 als eine wichtige Schwertschmiede des Landes.
Kunst und Kunsthandwerk erfuhren besonders während zweier Zeiträume eine weit über die Stadt und die Region hinausreichende Bedeutung: zum einen im ausgehenden 14. und im 15. Jahrhundert mit den einer lokalen Werkstätte zugeschriebenen gotischen Glasmalereien, den Stein- und Holzplastiken des Meisters Hans von Judenburg sowie dem Glockengießer Hans Mitter; zum anderen im 18. Jahrhundert mit der vom Bildhauer Balthasar Prandtstätter gegründeten und von Johann Nischlwitzer weitergeführten Judenburger Schnitzwerkstätte, die im Zeitraum von 1717 und 1778 zahlreiche Kirchen und Kapellen im obersteirischen Raum, aber auch in Kärnten mit ihren qualitätsvollen Altären und Statuen ausstattete. Wichtige Auftraggeber der lokalen Künstler und Kunstwerkstätten waren die in Judenburg angesiedelten Klöster der Minoriten (ab 1455 Franziskaner), der Klarissinnen und der Augustiner-Eremiten (ab 1620 Jesuiten). Die in Judenburg wirkenden Jesuiten waren im 17. Jahrhundert auch die wichtigsten Betreiber der Gegenreformation. Im Verlauf weniger Jahrzehnte wurden die überwiegend lutherisch gesinnten Bürger und Adeligen gezwungen, sich wieder zum Katholizismus zu bekennen.
Von der Bürger- zur Arbeiterstadt
Der Bau der Kronprinz Rudolf-Bahn im Jahr 1868 und die damit verbundene Ansiedlung von Industriebetrieben haben die sozialen und wirtschaftlichen Grundlagen der Stadt Judenburg radikal verändert. Sie verwandelten die beschaulich-stille Biedermeierstadt, die kaum über den engbegrenzten, von einer mittelalterlichen Wehrmauer umgebenen Altstadtbereich hinausgewachsen war, in eine moderne, insbesondere durch eisenverarbeitende Betriebe geprägte, mehrheitlich von Fabrikarbeitern bewohnte Kleinstadt. So entstand auf dem Gelände des späteren Sensenwerkes in der Murschlinge bei der Magdalenenkirche Mitte des 19. Jahrhunderts der erste Judenburger Betrieb mit industriellem Charakter, der sich vor allem auf die Herstellung von Blechen spezialisierte. 1906 wurden die „Steirischen Gußstahlwerke AG" gegründet, deren spezialisierte Nachfolgebetriebe bis heute zentrale Arbeitgeber der Stadt sind.
Auch das Stadtbild hat sich nachhaltig gewandelt. Neben dem Ausbau und Neubau sozialer und kommunaler Einrichtungen entstanden im Zuge der planmäßigen Erschließung des Stadtrandbereiches Arbeiterwohnbauten, die das bis dahin bürgerlich bestimmte Stadtbild entscheidend veränderten. Aus der einstigen Bürgerstadt wurde eine Arbeiterstadt. Deutlich ablesbar ist diese Entwicklung an der Einwohnerzahl, die sich im Zeitraum von 1860 (3.100 Einwohner) bis 1923 (6.300 Einwohner) mehr als verdoppelte, wobei die zugewanderten Arbeiterinnen und Arbeiter den größten Anteil am Bevölkerungswachstum hatten.
Politischer Radikalismus, Diktatur und Krieg
Von der industriellen Entwicklung bis in die Gegenwart führt ein mühevoller, konfliktreicher Weg. Nicht nur das menschliche Leid und das materielle Elend, das der Erste Weltkrieg hinterließ, nicht nur die krisenhafte wirtschaftliche Entwicklung der Ersten Republik, auch politischer Radikalismus und Intoleranz haben in Judenburg bis in die jüngste Vergangenheit tiefe Spuren hinterlassen. Wie ein Fanal wirkt im Nachhinein die Anbringung des Hakenkreuzes am Judenburger Stadtturm im Jahre 1939. Es war dies der Beginn einer rigoros durchgeführten ideologischen Gleichschaltung und militärischen Disziplinierung aller Lebensbereiche im Sinne des nationalsozialistischen Regimes, das von zahlreichen Mitläufern und Mittätern unterstützt wurde. So wurde etwa die jüdische Gemeinde Judenburgs, die sich im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts gebildet hatte, vollständig ausgelöscht und die Mehrzahl ihrer Mitglieder in den Vernichtungslagern der Nationalsozialisten ermordet. Nur wenige Judenburgerinnen und Judenburger widersetzten sich der ideologischen Gleichschaltung. Zu den couragierten Menschen, die ihren Widerstand gegen das menschenverachtende Regime mit ihrem Leben bezahlten, gehören u.a. August Degold, Karl Havlu, August Kratzwohl, Franz Mitterer und Anni Leitner.
Der Weg in die Gegenwart
Die Befreiung der Stadt im Jahre 1945 durch alliierte Truppen, die Wiedererrichtung demokratischer politischer Strukturen und die ab 1947 massiv einsetzende Wirtschaftshilfe durch den Marshall-Plan schufen eine solide Grundlage für den Wiederaufbau Judenburgs. Wohnbauprojekte, Betriebsgründungen, der Bau der Festhalle im Jahr 1950 und ein überaus reges Kulturleben waren sichtbare Zeichen einer optimistischen Grundstimmung, die die „Wirtschaftswunderzeit" in den Fünfziger- und Sechzigerjahren begleitete. Handel, Gewerbe, Industrie und Tourismus bildeten in den folgenden Jahrzehnten die Voraussetzung einer gleichermaßen fortschrittlichen wie traditionsbewussten Stadtentwicklung. Mit einer Vielzahl von Gewerbe- und Handelsbetrieben wurde Judenburg in den folgenden Jahrzehnten die führende Einkaufsstadt der Region Aichfeld-Murboden. Der Bau eines Einkaufszentrums unmittelbar an der Stadtgrenze hat allerdings das traditionelle wirtschaftliche Gefüge Judenburgs mit seiner Vielfalt von Klein- und Mittelbetrieben spürbar verändert.
Viel wurde seither in Judenburg unternommen, um dem Ruf eines mit Leben erfüllten Wirtschafts-, Schul- und kulturellen Zentrums gerecht zu werden: Die Steirische Landesausstellung, die im Jahr 1989 unter dem Titel „Menschen & Münzen & Märkte" in Judenburg stattfand, brachte sinnfällig die überregionale Bedeutung der Stadt für die Entwicklung von Handel und Gewerbe zum Ausdruck. Der Bau moderner Schulzentren am Lindfeld (1964) und in Murdorf (1980) schloss gewissermaßen an die bis ins Mittelalter reichende Schultradition der Stadt an. Das Musikfestival „Judenburger Sommer" und die Kulturprojekte „Artist in Residence" und die Judenburger „Künstlermeile" in der Kaserngasse – um nur einige wenige Beispiele zu erwähnen – schließen an die jahrhundertealte Tradition des Kunstschaffens in der Stadt Judenburg an.
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