Mittelalter
Durch seine besondere geografische Lage bildete die Stadt
Judenburg im Mittelalter ein wirtschaftliches Zentrum im
Südostalpenraum. Hier entstand neben Villach und Graz eine der
ältesten jüdischen Gemeinden des Landes. Der früheste urkundliche
Hinweis auf Juden in Judenburg stammt aus dem Jahr 1290, der erste
namentlich genannte Judenburger Jude ist Süßman, der 1305 in einer
Urkunde erwähnt wird.
Das jüdische Viertel in Judenburg, das in den Schriftdokumenten
stets als „Judengasse“ oder „Gasse im Gehag“ bezeichnet wird,
befand sich im Norden der Altstadt im Bereich der heutigen
Heiligengeistgasse. Hier befand sich auch das religiöse und
soziale Zentrum der jüdischen Gemeinde: die mittelalterliche
Synagoge und das rituelle Bad. Südlich der Stadt, in der Nähe des
Schlosses Weyer, lag der jüdische Friedhof.
Anders als die Bürger Judenburgs unterstanden die Juden rechtlich
und persönlich dem steirischen Landesfürsten, der als ihr
Schutzherr fungierte. Da das traditionelle Handwerk in
christlichen Zünften organisiert war, bildete die Geldleihe eines
der wenigen Gewerbe, das die Juden außerhalb des zünftischen
Handwerks ausüben durften.
Die Geldleihe, und das zeigte sich vor allem in Krisenzeiten,
bildete eine äußerst unsichere Existenzgrundlage. Oft genug
erschien der jüdische Geldleiher dem christlichen Schuldner als
unliebsamer Gläubiger, als Ausbeuter, der ohne eigene
Arbeitsleistung ein gewinnbringendes Geschäft betrieb. Daraus
entstand das Bild des „typischen“ Juden, des Wucherers, dessen
Anlage und Neigung ihn dazu antreibe, die Notlage anderer
auszunutzen. Die Juden wurden zunehmend dämonisiert.
Gegen Ende des 15. Jahrhunderts erreichte die judenfeindliche
Agitation ihren Höhepunkt. Die Rechte der Juden wurden zunehmend
beschnitten, immer lauter bezichtigte man sie des Wuchers und
betrügerischer Machenschaften; Gerüchte über Hostienschändung und
Ritualmord wurden verbreitet und in vielen Kirchen wurde den
Gläubigen durch Wort und Bild die Verworfenheit der Juden
drastisch vor Augen geführt.
Solange die Juden dem Landesfürsten als Ausbeutungsobjekte
dienlich waren, hielt er seine schützende Hand über sie. Als die
Juden aber immer mehr verarmten und kaum noch als Geldquelle in
Betracht kamen, verlor er das Interesse an ihnen. 1496 wurden die
Juden schließlich auf Befehl des Landesfürsten aus der Steiermark
ausgewiesen. Nicht nur die Ansiedlung, sondern auch jeder längere
Aufenthalt wurde ihnen bis in die zweite Hälfte des 19.
Jahrhunderts verboten.
Dr. Michael Schiestl, Stadthistoriker